Willkommen zu unserer Serie "Sommer-Interviews - SSA Talk" !
Wir sprechen mit verschiedenen Anwender:innen im ganzen Land - und ihr bekommt interessante Einblicke in deren Berufsalltag.
Roger: Herzlich willkommen, heute ist die Anna am Start und du stellst dich gerade selbst vor.
Anna: Ich bin Anna Gerber, arbeite in der Schulsozialarbeit im Campus Muristalden, einer Privatschule, und bin seit Februar 2022 für Zyklus 3 zuständig.
Roger: Wie kommt es, dass eine Privatschule Schulsozialarbeit einführt?
Anna: Auch in einer Privatschule gibt es einen grossen Bedarf an Begleitung für Jugendliche mit psychosozialen Problemen. Das hat sich bei uns neu entwickelt. Ich habe diese Stelle hier aufgebaut, und wir konnten diesen Frühling im März noch aufstocken für die Mittel- und Basisstufe. Denn Probleme bestehen unabhängig davon, ob die Eltern zahlen können oder nicht.
Roger: Das heisst, du wirst eigentlich komplett von den Eltern finanziert?
Anna: Ja, genau. Die Eltern zahlen das Schulgeld, und daraus wird auch mein Lohn finanziert, ebenso wie der der Lehrpersonen. Wie das genau im Detail abläuft, kann ich aber nicht genau sagen.
Roger: Bist du auch im Austausch mit öffentlichen Schulen? Welche Unterschiede merkst du?
Anna: Unterschiede sind schwierig zu benennen. Wir sind keiner Fachstelle angegliedert, sondern eine Stabsstelle, die sich der Schulleitung unterordnet. Das hat viele Vorteile, aber bringt auch einige Komplikationen mit sich.
Roger: Machst du einen Jahresbericht und wem bist du rechenschaftspflichtig?
Anna: Ich mache einen Jahresbericht, obwohl es nicht verlangt wird. Er hilft uns, Prozentstellen zu erhöhen. Ich bin eigentlich niemandem rechenschaftspflichtig und erfasse meine Arbeitszeit nur für mich selbst. Der Jahresbericht geht an die Schulleitung, die ihn zu schätzen weiss.
Roger: Bist du der Schulleitung unterstellt oder gibt es einen Verwaltungsrat?
Anna: Es gibt einen Verwaltungsrat und eine Direktorin. Die Privatschule ist in Volksschule, Gymnasium und heilpädagogische Integrationsklassen (HIK) unterteilt. Ich bin für die Volksschule zuständig und der Schulleitung der Volksschule direkt unterstellt.
Roger: Für wie viele Schülerinnen und Schüler bist du zuständig?
Anna: Ich bin für etwa 250 Schülerinnen und Schüler zuständig, von der Basisstufe bis zur Oberstufe. Mit 40% Stellenumfang betreue ich 9 Klassen und bin dadurch auch viel in den Klassen selbst präsent, weniger in der Einzelfallhilfe.
Roger: Wie teilt sich deine Arbeit auf, ungefähr?
Anna: Ungefähr ein Drittel meiner Zeit bin ich in den Klassen, ein Drittel in der Einzelfallhilfe und ein Drittel in der Beratung der Lehrpersonen. Gruppengespräche gibt es selten, eher bei grossen Konflikten.
Roger: Merkst du einen Unterschied in der Zusammenarbeit mit Lehrpersonen zwischen öffentlichen und privaten Schulen?
Anna: Ich habe bisher nur in einer Sonderschule und jetzt in einer Privatschule gearbeitet. Das Kollegium hier ist sehr offen und arbeitet gerne zusammen, was ich sehr schätze. Es gibt natürlich auch einzelne Lehrpersonen, die lieber selbst schauen, aber insgesamt ist die Zusammenarbeit sehr gut.
Roger: Sind die Eltern an einer Privatschule anders, haben sie höhere Ansprüche?
Anna: Ein Unterschied ist, dass die Eltern sehr auf Therapieangebote achten und schnell Plätze suchen, wenn es nötig ist. Der Anspruch der Eltern an die Schule ist hoch, sie erwarten, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind und kein Mobbing stattfindet. Das ist jedoch keine Garantie, die wir bieten können.
Roger: Habt ihr viele Schülerinnen und Schüler, die negative Erfahrungen in der Volksschule gemacht haben?
Anna: Ja, viele haben bereits einen Rucksack an Erfahrungen dabei. Früher kamen die Schülerinnen und Schüler wegen des guten Rufs von Muristalden, heute eher, weil es in der Regelschule nicht mehr geht und die Eltern eine Alternative suchen.
Roger: Wie sieht es mit Homeschooling im Kanton Bern aus?
Anna: Der Kanton Bern hat mehr Freiheiten beim Homeschooling. Ob sich das seit Corona verändert hat, weiss ich nicht genau. Ich weiss nur von einem Schüler, der dieses Jahr ins Homeschooling geht und dabei von einer Lehrperson oder jemandem mit tertiärer Ausbildung betreut wird.
Roger: Vielen Dank für den Einblick in deine besondere SSA-Stelle. Ich wünsche dir eine gute Zeit.
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